Die dunkle Straße by Ma Jian

Die dunkle Straße by Ma Jian

Autor:Ma Jian [Ma Jian,]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644049710
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-07-30T16:00:00+00:00


Schlüsselwörter: eiskalt, dem Huhn folgen, städtische Aufenthaltserlaubnis, weißer Baumwollschal, grüne Brise, Umerziehung durch Arbeit.

A

ls der Bus aus dem ummauerten Verwahr- und Rückführungszentrum abfährt, hat Meili ein Gefühl von Freiheit. Es erinnert sie an den Tag, als Kongzi und sie mit Weiwei im Boot auf dem Xi unterwegs waren und der Wind ihr durch das Haar und unter das ärmellose Kleid fuhr und die Sonne auf ihren Armen brannte … Draußen drängen sich die Menschen auf den Gehwegen, vorbei an Betoneinfassungen mit Blumenbeeten, in denen rosa und rote Chrysanthemen in Mengen blühen. Eine Mutter in kurzem Jeansrock schiebt einen Kinderwagen an einem Hochzeitsfotostudio vorbei. Ein junges Paar ganz in Weiß steht an einer Ampel und wartet auf Grün. Sonnenlicht strömt durch die Bäume, auf die asphaltierten Straßen und die Sonnenschirme an den Eiswagen, es spielt zwischen den Autos und vor der Drehtür eines Kaufhauses. Die Menschen, die ihre Einkäufe für die abendlichen Festlichkeiten zum Nationalfeiertag machen, sehen glücklich und froh aus.

Ein Mann hinten im Bus ruft: «Seht ihr das große Glashaus da drüben? Das hat unser Arbeitertrupp aus Henan gebaut.»

«Und das ist der Kran, den ich bediene. Da, meine Mütze liegt noch auf dem Armaturenbrett.»

«Ich arbeite in dem Büro neben Starbucks», sagt eine Frau auf dem Platz hinter Meili. Dann sieht sie eine Kollegin auf der Straße, pocht ans Fenster und ruft: «Li Na! Ich bin’s! Sag dem Chef, ich bin festgenommen worden.»

«Seien Sie still!», ruft der gedrungene Mann vorn und springt auf.

«Dieses Viertel ist nichts Besonderes», sagt Suya, als sie Meilis Erstaunen bemerkt. «Siehst du den Fernsehturm da hinten? In der Gegend sind die großen Hotels und Bürogebäude. Ein Gast in einem der Hotels dort hat mir dreitausend für eine Nacht angeboten.»

«Ich will davon nichts hören», sagt Meili, der das unbehaglich ist. «Diese Stadt ist so riesig. Ich könnte mir denken, dass man zwei Tage braucht, um sie von einem Ende bis zum anderen zu durchqueren.» Sie starrt gebannt in die Schaufenster, auf die Fernseher und Ledersofas, die Jeansjacken und hochhackigen Schuhe, die eleganten Männerschuhe, Satinpantoffeln … «Wie gern ich auf dieser Straße gehen möchte. Nicht, um etwas zu kaufen, nur, um in die Schaufenster zu gucken.»

«Wenn du das machen würdest, was ich mache, hättest du in einem Jahr genug Geld zusammen, um einen Schönheitssalon aufzumachen, einen wie den da», sagt Suya und zeigt durch das Fenster auf ein Plakat. Es zeigt eine Frau mit langen blonden Haaren, die in einem Schaumbad liegt.

«Ich bin verheiratet, aber auch sonst würde ich das nicht tun.»

«Warum bist du weggelaufen, wenn er dir so wichtig ist? Warum vergeudest du deine Jugend an jemanden, den du nicht liebst?»

Meili schweigt. Am Abend zuvor hatte sie zu Suya gesagt: «Ich würde mich nie von Kongzi scheiden lassen. Wie das Sprichwort sagt: Wenn du ein Huhn geheiratet hast, musst du dem Huhn folgen.» Suya hatte gelacht und gesagt, Meili sei verrückt.

Als der Bus die Stadt hinter sich lässt, bläst eine grüne Brise den Duft von Bambus und wildem Gras durch die geöffneten Fenster hinein. Meili hat sich seit



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